Kleine Geschichte der modernen Küche

Mannheim, 02.11.2015. Einher mit der Menschheitsgeschichte geht die Geschichte des Kochens. Schon früh erkannten unsere Vorfahren, dass die Bearbeitung von Speisen für ihre Ernährung notwendig ist. Lange Zeit war der Ort des Zubereitens der Speisen weit weg vom eigentlichen Wohnraum des Menschen. Der Zubereitungsort galt aufgrund des offenen Feuers und seiner heißen Glut als gefährlich und durch Qualm, Ruß und Dampf außerdem als zu geruchsintensiv. Es sollte bis 1735 dauern, bis endlich der erste geschlossene Herd erfunden wurde. „Die spannende Geschichte der modernen Küche zeigt uns, wie eng Fortschritt, Innovation und Gestaltung bis heute miteinander verbunden sind“, sagt Kirk Mangels, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Die Moderne Küche e.V. (AMK). Die moderne Küche ist heute die Seele der Wohnung, doch das war nicht immer so.

Kochen und damit Küchen wurden in der Menschheitsgeschichte aufgrund des notwendigen offenen Feuers als sehr gefährlich eingestuft. Kochstellen waren daher lange Zeit außerhalb der Wohnungen untergebracht. Erst seit dem Mittelalter wurde die Küche in die Wohnung integriert. In einigen Burgen, wie der bekannten Burg Eltz an der Mosel, hatten schon damals Kaminrohre zum Rauchabzug in ihren dicken Wänden. Doch erst mit dem vollummauerten Kochherd, dem sogenannten Castrol-Herd von 1735, wurden das Leben in der Küche und damit das Kochen sicherer. Für diese Herdform benötigte man noch offenes Feuer. Die Brennmaterialien waren in der Regel Holz und später Kohle. Der Gasherd wurde erst um 1830 in England erfunden. Auf der Weltausstellung 1893 in Chicago wurde ein erster Elektroherd vorgestellt. Nun brach eine völlig neue Ära für die Küchenraumgestaltung an. Im gehobenen Bürgertum wurde das Kochen noch lange Zeit dem Dienstpersonal überlassen und die Küche war weit vom Wohnraum entfernt. Qualm und Ruß wollte man sich nicht aussetzen und auch nicht den oft intensiven Gerüchen des Pökelns und Räucherns von Lebensmitteln. Die Firma Weck erfand um 1900 das Konservieren von Lebensmitteln durch Einkochen in Gläsern. Erst um 1960 gehörten der Kühlschrank und später die arbeitserleichternde Spülmaschine zur Standardausrüstung und veränderten erneut die Ausstattung, den Anspruch und die Planung von Küchen.

Im Zeitgeist des sachlichen Bauhauses wurde 1926 in Frankfurt am Main die „Frankfurter Küche“ vorgestellt. Sie war eine Entwicklung der Architektin Margarete Schütte-Lihotzky und gilt als Prototyp der Einbauküche. Auf kleinstem Raum wurden eingebaute Schränke, installierte Elektrogeräte und ein Spülstein untergebracht. All das unter extrem funktionalen Gesichtspunkten. Bis heute dient die erste Einbauküche der Welt als Basismodell für moderne Einbauküchen. Die „Frankfurter Küche“ war eine reine Arbeitsküche mit verbesserten Funktionen zur Lagerhaltung, Kühlung und zum Kochen. Küchen wurden aber immer noch nicht als Wohnbereich gesehen, sondern als laborartige Arbeitsstätten. Die Räume der damaligen Küche waren sehr klein. Kochen wurde die zentrale Aufgabe der nicht berufstätigen Hausfrau. Hausfrauen kochten über die Jahrzehnte größtenteils alleine, ja fast heimlich, denn der eigentliche Zubereitungsprozess der Speisen wurde von Männern und männlichen Kindern weitestgehend gemieden.

Die Wiederentdeckung der Verbindung von Kochen und Essen erfolgte erst in den 1960er Jahren. In den Grundrissen der Wohnungen wurden langsam die Küchen etwas größer. Immer mehr Frauen wurden berufstätig und wollten daher in den verbleibenden Reststunden nicht unbemerkt und allein in der Küche arbeiten. In den 1970er Jahren gab es in vielen Küchen Essecken, in denen zumindest die Familien zum Frühstück oder Mittagessen zusammen aßen. Das Esszimmer wurde meist sonntags, abends oder zusammen mit Gästen genutzt. In dieser Zeit zeichneten sich auch die ersten Designtrends bei Küchen ab. Die Küche war in der Regel eine sehr funktionale Einbauküche in den damals trendigen Farben und Ausführungen. Seit den frühen 1990er Jahren befindet sich die Küchenplanung auf dem Weg zur modernen Wohnküche. Essen und Kochen sind miteinander integriert. Multifunktionalität, Convenience und Professionalität sind heute Eintrittskarten für den Markt. Frauen und Männer teilen sich zunehmend die Hausarbeit. Das Interesse am Kochen wächst. Die Bedeutung von Wohnlichkeit und Gemütlichkeit nimmt weiter zu. Internationalisierung und Globalisierung führen nun zu einem erhöhten Interesse an gesunden und exotischen Genüssen.

Das Kochen ist heute immer noch ein existentieller Vorgang; es war aber nie so einfach wie heute. Sicherheit, Geruchsreduzierung und Energieeffizienz sind die technischen Errungenschaften, Komfort und schickes Design tragen zur Wohnlichkeit bei. Aber auch in der modernen, großen Küche, die sich heute gerne im offen gestalteten Grundriss wiederfindet, bildet der Herd immer noch den Mittelpunkt. (AMK)

Die erste Einbauküche der Welt: Frankfurter Küche von der Architektin Margarete Schütte-Lihotzky aus dem Jahr 1926. (Foto: AMK)

Die Küche wurde in den 1960er Jahren immer funktionaler.
(Foto: AMK)

Typische Küche in den beliebten Farben und Formen der 1970er Jahre mit kleiner Essecke. (Foto: AMK)

Die moderne Wohnküche: Gemütlich, großzügig, schick und funktional.
(Foto: AMK)