AMK Legal News powered by reuschlaw Q2/2022

A. Thema des Quartals: Die Sustainable Product Initiative – auf dem Weg zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft in der EU

Im Rahmen des „Green Deal“ beabsichtigt die EU mit der „Sustainable Product Initiative (SPI)“, Mängel in Ressourcen- und Wertschöpfungsketten zu beheben und einen neuen Standard für nachhaltige Produkte zu etablieren, um so einen wesentlichen Beitrag zum Ziel der Klimaneutralität zu leisten. Die SPI ist Bestandteil des Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft (CEAP) in der EU.

Überblick Sustainable Products Initiative

Kernpunkt der Sustainable Products Initiative ist die Überarbeitung der Ökodesign-Richtlinie 2009/125/EU. Dabei stehen vorerst Schlüsselsektoren im Fokus, die zum Erreichen einer optimierten Kreislaufwirtschaft von besonderer Bedeutung sind, wie zum Beispiel Kunststoffe, Textilien, Elektronik, Verpackungen, Batterien, Fahrzeuge, Bauwirtschaft und die Abfallwirtschaft.

Überarbeitung des bisherigen Rechtsrahmens auf dem Weg zur optimierten Kreislaufwirtschaft

In diesem Kontext soll der bestehende Rechtsrahmen in wesentlichen Teilen angepasst werden. So wurden für Kunststoffe neue Regelungen verabschiedet, die gesteigerte Qualitätsstandards schaffen und dafür sorgen sollen, dass alle Kunststoffverpackungen bis 2030 vollständig recyclebar sind. Für Textilabfälle wurde im März 2022 eine neue Strategie vorgestellt, die diese haltbarer und langlebiger machen soll. Bereits 2018 wurde in der Abfallrichtlinie das getrennte Sammeln von Textilabfällen ab 2025 geregelt. Im Elektronik-Bereich ist die Einführung eines Rechts auf Reparatur geplant. In diesem Kontext ist in Deutschland bereits am 1.1.2022 das neue Elektrogesetz in Kraft getreten, welches unter anderem die Notwendigkeit eines Rücknahmekonzepts im B2B- Bereich ab dem 1.7.2022 sowie erweitere Rücknahmepflichten von alten Elektrogeräten im Handel vorsieht. Zu Beginn des Jahres 2023 wird eine Batterie-Verordnung die bisherige Batterie-Richtlinie ersetzen, die insbesondere auf eine längere Leistungsfähigkeit und Haltbarkeit von Batterien abzielt und erstmals auch die Second-Life-Anwendung von Batterien in den Fokus nimmt. Darüber hinaus sind zum 1.1.2022 auch Änderungen des Verpackungsgesetzes in Kraft getreten, in der die Pfandpflicht für Einweggetränkeverpackungen ausgeweitet wurde.

Im Überarbeitungsstatus befinden sich darüber hinaus diverse weitere Rechtsakte, die unter anderem auch auf eine nachhaltigere Kreislaufwirtschaft abzielen. Dies sind insbesondere die RoHS-Richtlinie 2011/65/EU, die WEEE-Richtlinie 2012/19/EU, die REACH-Verordnung 1907/2006/EG, die Maschinen-Richtlinie 2006/42/EG, die Verpackungs-Richtlinie 94/62/EC sowie die Bauprodukte-VO 315/2011/EU. Flankierend hierzu werden derzeit auch die Produktsicherheits-Richtlinie 2001/95/EG und die Produkthaftungs-Richtlinie 85/374/EWG überarbeitet.

Entwurf einer neuen Ökodesign-Verordnung

Kernstück der Sustainable Products Initiative bildet derzeit der Vorschlag der Europäischen Kommission zur Erarbeitung einer Ökodesign-Verordnung, der am 30. März 2022 veröffentlicht wurde und zukünftig die bestehende Ökodesign – Richtlinie 2009/125/EU ersetzen soll. Als Verordnung Bedarf sie keines weiteren nationalen Umsetzungsakts, sondern gilt mit ihrem Inkrafttreten unmittelbar und direkt in allen Mitgliedstaaten der EU. Der aktuelle Vorschlag zielt darauf ab, die Einwirkung von Produkten auf ihre Umwelt zu verringern, indem Produkte nachhaltiger hergestellt, verwendet und entsorgt werden müssen. In diesem Zusammenhang soll der Anwendungsbereich der Ökodesign Verordnung erweitert werden und über die klassischen energieverbrauchsrelevanten Produkte wie Waschmaschinen, Kühlschränke und Beleuchtung hinaus zukünftig alle non-food Produkte erfassen. Im nächsten Schritt werden die sektoralen Produktanforderungen gezielt in delegierten Verordnungen ausgestaltet, wobei ein besonderes Augenmerk auf schädlichen Chemikalien in Produkten liegen wird.

Die neuen Maßnahmen sollen eine verbesserte Haltbarkeit und Wiederverwendbarkeit der Produkte zur Folge haben. Ebenso soll der Recyclinganteil in Produkten erhöht und der ökologische Fußabdruck verringert werden. Geplant ist auch eine Einschränkung von Einwegverbrauch und ein Verbot zur Vernichtung von nicht verkauften, langlebigen Gütern. Darüber hinaus werden Geschäftsmodelle wie „Product as a service“ gefördert, bei denen Hersteller während des gesamten Lebenszyklus des Produkts Eigentum an dem Produkt behalten sollen. Transparenz und die Digitalisierung von Wareninformationen soll zukünftig über digitale Produktpässe geschaffen werden, in denen standardisierte Produktdaten jederzeit abrufbar sein sollen.

Fazit

Mit den neuen Vorgaben zur Gestaltung und Herstellung nachhaltiger Produkte gibt die EU auf internationaler Ebene richtungsweisende und ambitionierte Standards vor, die nur begrüßt werden können. Erkennbar ist derzeit allerdings auch die Problematik, dass das System der digitalisierten Produktinformation – etwa in Form eines Produktpasses – derzeit noch unausgereift ist und zu vereinzelten Systembrüchen und Doppelungen führend wird, die so nicht beabsichtigt sein können. Hier bleibt abzuwarten, wie es der EU in den kommenden Jahren gelingen wird, die verschiedenen Regulierungssysteme aufeinander abzustimmen und die digitale Infrastruktur bereitzustellen, die notwendig ist, um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen.

Weiterführende Quellen:

 

B. Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten

Am 17. November 2021 hat die EU-Kommission einen Verordnungsentwurf über die Bereitstellung bestimmter Rohstoffe und Erzeugnisse veröffentlicht, um entwaldungsfreie Produkte zu fördern, indem sie den Handel von Produkten, die in Verbindung mit Entwaldung und Waldschädigung entstanden sind, in der EU verbietet. Dies trägt zur Verwirklichung des Green Deals der EU bei, indem langfristig die Transparenz und Nachhaltigkeit im gesamten Produktzyklus gesteigert wird.

Inhalt des Verordnungsentwurfs

Der Entwurf erfasst sechs „relevante Rohstoffe“ wie Soja, Kakao, Kaffee, Ölpalmen, Rinder und Holz, die maßgeblich für die Abholzung und Schädigung der Wälder verantwortlich sind und „relevante Erzeugnisse“, die die relevanten Rohstoffe enthalten, darunter bspw. Möbel, Leder und Schokolade. Adressiert sind alle Unternehmen, die entsprechende Produkte in der EU auf den Markt bringen. Die Mitgliedstaaten sind für die effektive Durchsetzung der neuen Regelungen zuständig.

Im Ergebnis wird die neue Verordnung die bisherige European Timber Regulation (EUTR) Verordnung von 2010 ablösen, welche lediglich Holz und Holzerzeugnisse umfasst. Nun werden die Pflichten auf die genannten Produktgruppen ausgedehnt. Die neue Verordnung soll sicherstellen, dass die Produkte den gesetzlichen Vorgaben des Ursprungslandes entsprechen als auch entwaldungsfrei sind und eine entsprechende Sorgfaltserklärung vorliegt. Im Verordnungs-Entwurf wird wie bei der EUTR zwischen zwei Wirtschaftsakteuren, dem Marktteilnehmer und dem Händler differenziert. Bei dem Händler wird, im Gegensatz zur EUTR, zusätzlich zwischen großen sowie kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) unterschieden. Konsequenz ist eine abweichende Ausgestaltung der Pflichtenkreise: Große Händler mit gesteigertem Einfluss auf die Lieferkette treffen dieselben Verpflichtungen wie Marktteilnehmer. Dies umfasst beispielsweise die Implementierung eines dreistufigen Due Diligence Prozesses (Sorgfaltspflichtenregelung) zur Erfüllung der genannten Vorgaben des Verordnungsentwurfs. Kleine und mittlere Unternehmen hingegen haben vorwiegend Dokumentations- und Archivierungspflichten zu erfüllen, um die Rückverfolgung der Produkte zu ermöglichen.

Gesteigerte Sorgfalts- und Transparenzpflichten

Marktteilnehmer haben den Nachweis der Erfüllung der Sorgfaltspflicht zu erbringen. Zur Rückverfolgbarkeit der Produkte haben die Marktteilnehmer in einem erstem Schritt Informationen über das Produkt, die Anbieter und das Erzeugungsland entlang der Lieferkette zu sammeln. Im Vergleich zur EUTR ist hier die Geolokalisierung, also die Übermittlung der geografischen Informationen zum Standort der Grundstücke, auf denen die relevanten Rohstoffe und Erzeugnisse hergestellt wurden, neu. Darauf folgt in einem zweiten Schritt eine gesamtheitliche Risikoanalyse der Lieferkette, wobei die anzuwendenden Risikokriterien auf den bestehenden der EUTR aufgebaut sind. Sodann findet eine Risikoeinstufung der Länder, nicht legale Erzeugnisse oder Produkte herzustellen, in niedrig, mittel und hoch statt. Die einzuhaltenden Sorgfaltspflichten steigen mit höherem Risiko. Falls das mit dem Rohstoff oder Erzeugnis verbundene Risiko nicht tragbar ist, sind Maßnahmen zur Risikominderung durchzuführen. Bei positiver Bewertung sind die gesammelten Informationen durch die Marktteilnehmer an ein europäisches Informationsregister in Form einer Sorgfaltserklärung, ähnlich einer Konformitätserklärung, weiterzugeben. Mit der Erklärung bescheinigen die Marktteilnehmer, dass die Rohstoffe und Erzeugnisse im Einklang mit der Verordnung gewonnen wurden. Der Zugang zu dem Register wird anonymisiert gewährt. Ergänzend wirkt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, welches am 1.1.23 in Kraft tritt und Unternehmen zur Einhaltung der Menschenreche entlang der Lieferkette verpflichtet.

Fazit

Bisher ist das Gesetzgebungsverfahren nicht abgeschlossen, sodass sich bis zur Verabschiedung noch inhaltliche Änderungen ergeben können. Kritisiert wird beispielweise der enge Anwendungsbereich, der Rohstoffe wie Mais, Zucker und Kautschuk nicht erfasst, die jedoch ebenfalls für Entwaldung verantwortlich sind. Die zu erfüllenden Sorgfaltspflichten sind bei betroffenen Unternehmen intern im Rahmen des systematischen dreistufigen Due Diligence Verfahrens (DDS) zu implementieren, damit das mit der Bereitstellung verbundene Risiko auf ein vernachlässigbares Maß reduziert wird. Aufgrund der weitreichenden Änderungen sollten bereits jetzt entsprechende Ressourcen zur Umsetzung genutzt werden.

Weiterführende Quellen:

 

C. Der Digitaler Produktpass – Auf dem Weg zur digitalisierten Produktinformation

Für die von der geplanten Ökodesign-VO erfassten Produkte sollen digitale Produktpässe (DPP) eingeführt werden. Damit geht die EU im Rahmen ihres Green Deal Pakets zur Schaffung einer klimaneutralen und umweltfreundlichen Wirtschaft einen entscheidenden Schritt. Ziel des digitalen Produktpasses ist es, die Transparenz von Produktdaten zu erhöhen, indem alle relevanten Produktinformationen gebündelt und standardisierte in einer Datenbank, dem Produktpassregister, gesammelt und – etwa durch Scannen eines QR-Codes am Produkt – abgerufen werden können. Der digitale Produktpass soll es Herstellern, Verbrauchern, Entsorgern und anderen Marktteilnehmern auf der einen Seite ermöglichen, den gesamten Produktionszyklus nachzuverfolgen, auf der anderen Seite sollen relevante Produktinformationen – etwa hinsichtlich der verarbeiteten Materialien, der Reparierbarkeit und des Energieverbrauchs jederzeit abrufbar sein.

Die Digitalisierung der Produktinformationen birgt eine Reihe von Vorteilen: Bedienungs- und Gebrauchsanleitungen werden zukünftig nur noch online zur Verfügung gestellt, wodurch Liefer- und Prozessketten optimiert und die Informationen jederzeit abrufbar bereitgestellt werden können. Die Bereitstellung der Informationen erfolgt produktspezifisch, bzw. branchenspezifisch.

Ausgestaltung des Digitalen Produktpass

Die Rahmenbedingungen für den Produktpass sind in dem Entwurf für eine neue Ökodesign Verordnung enthalten, die am 30. März 2022 veröffentlicht wurde. Dort finden sich erstmals konkrete Anforderungen an die Informationsbereitstellung, technische Gestaltung, Umsetzung und dem Einsatz des Digitalen Produktpasses. Weiterer Konkretisierung bedarf hingegen die Umsetzung des Datenaustauschs und die Verfügbarkeit von Daten innerhalb der Liefer- bzw. Wertschöpfungskette. Gemäß Entwurf werden beim Abruf der Daten die Zugriffe anhand der Zugriffsrechte der Personen gewährt, sodass Abstufungen möglich sind. Folglich wird die Abrufung der Daten wohl anhand des „need to know“ Prinzips erfolgen. Dabei muss ein Ausgleich zwischen den Transparenzanforderungen und der erforderlichen Datensicherheit von Geschäftsgeheimnissen geschaffen werden. Derzeit fehlt es jedoch noch an einem konkreten Zeitplan zur Implementierung.

Fazit

Langfristig wird sich die Notwendigkeit der Bereitstellung eines digitalen Produktpasses auf alle Industriebereiche beziehen. Nach erfolgter Umsetzung wird der digitale Produktpass für Unternehmen aufgrund der einheitlichen Lösung für Produktinformationspflichten eine bürokratische Entlastung darstellen und auch neue Geschäftsmodelle ermöglichen. Bisher werden bei den geplanten Produktpässen jedoch keine Konformitätserklärungen und Herstellerangaben erfasst. Problematisch sind hier die über 70 Richtlinien und Verordnungen, die die Anforderungen und die digitale Bereitstellung von Produktinformationen nicht einheitlich regeln. Daher wird es in für eine gewisse Übergangszeit absehbar zu einem Nebeneinander von konventioneller und digitaler Dokumentation kommen, die entgegen dem Ziel der Vereinfachung zu einer Doppelung von Informationen und zu einem Mehraufwand für die Unternehmen führen wird. Eine frühzeitige Auseinandersetzung mit den verschiedenen Informationsanforderungen und die rechtzeitige Erarbeitung eines geeigneten Umsetzungskonzepts sind unerlässlich.

 Weiterführende Quellen: