AMK Legal News powered by reuschlaw Q4/2021

A. Thema des Quartals:
Das ElektroG3 tritt in Kraft: erweiterte Pflichten, nicht nur für Händler

Mit dem ElektroG3 wird die Produktverantwortung für Elektro- und Elektronikgeräte deutlich erweitert. Die verschärften Anforderungen entstammen der nationalen Gesetzgebung. Deutschland setzt ab dem 1.1.2022 Regelungen um, die in der europäischen WEEE-Richtlinie 2012/19/EU – zumindest derzeit und in dieser Form – nicht vorgesehen sind.
Im Zentrum stehen Rücknahmepflichten der Händler
Insbesondere die Rücknahmepflichten der Händler stehen dabei im Fokus. Händler müssen nun dafür sorgen, dass Verbraucher Altgeräte jederzeit kostenfrei zurückgeben können und auf diese Möglichkeit ausdrücklich hinweisen. Dies umfasst sowohl die physische Rückgabe „in zumutbarer Entfernung zum Übergabeort“ (was im Versandhandel gleichbedeutend mit dem Wohnsitz des Verbrauchers zu verstehen sein dürfte) als auch den Rückversand. Sowohl hinsichtlich der Kosten als auch des Gefahrübergangs sind hier also neue Aspekte zu berücksichtigen, die sich auf kaufmännischer und rechtlicher Ebene auswirken. Um zu vermeiden, dass Verbraucher dieses Privileg über Gebühr strapazieren, ist die Rücknahmepflicht auf pro Rückgabe bis zu drei Altgeräte (bis zu einer Größe von 25 Zentimetern Kantenlänge) beschränkt. In diesem Rahmen darf die Rücknahme nicht an den Erwerb eines neuen Gerätes gebunden werden.
Marktplatzbetreiber und Fulfillment-Dienstleister werden in die Pflicht genommen
Marktplatzbetreiber und Fulfillment-Dienstleister geraten ebenfalls in den Fokus. Auf ihren Seiten sollen auch künftig nur solche Elektro- und Elektronikgeräte verfügbar sein, deren Anbieter die gesetzlichen Anforderungen einhalten. Oftmals war dies bislang nicht der Fall, gleichzeitig waren Marktplatzbetreiber und Fulfillment-Dienstleister nicht für die Handlungen der einzelnen Anbieter verantwortlich. Das soll sich nun ändern: Wird eine Rechtsverletzung vom Marktplatzbetreiber oder einem Fulfillment-Dienstleister festgestellt, hat er unmittelbar dafür Sorge zu tragen, dass das entsprechende Produkt nicht mehr verkauft wird. Ansonsten sind einschneidende Sanktionen zu erwarten, die neben hohen Bußgeldern auch ein Vertriebsverbot nach sich ziehen können.
Vorschau
Insgesamt werden die Händlerpflichten durch das ElektroG3 spürbar ausgeweitet, so dass signifikanten Auswirkungen der Gesetzesnovelle auf die komplette Lieferkette zu erwarten sind. der Hier sollte der Dialog mit den Vertragspartnern verbessert werden, um mögliche negative Überraschungen zu umgehen. Darüber hinaus ist auch eine Kontrolle der bestehenden Verträge zu empfehlen, damit eine angebrachte Risikoverteilung sichergestellt und eventuelle Haftungslücken geschlossen werden.

Weiterführende Quellen
https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl121s1145.pdf%27%5D__1630595104195

B. Update Lieferkettengesetz

Am 09.06.2021 hat der Bundestag das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) verabschiedet. Ab dem 1. Januar 2023 werden Unternehmen mit 3.000 und mehr ArbeitnehmerInnen mit Hauptsitz in Deutschland konkrete Sorgfaltspflichten auferlegt, die im eigenen Geschäftsbetrieb und entlang der Lieferkette zu beachten sind. Ab dem 01.01.2024 gelten dieselben Pflichten auch für Unternehmen ab 1.000 ArbeitnehmerInnen.
Von nun an werden Unternehmen verpflichtet, ihren eigenen Geschäftsbetrieb sowie ihre komplette Lieferkette (Beschaffung & Vertrieb) daraufhin zu untersuchen, ob Menschenrechte und umweltbezogene Pflichten eingehalten werden. Diese Pflichten ergeben sich zum Teil aus dem LkSG selbst; darüber hinaus verweist das Gesetz auf völkerrechtliche Verträge und Abkommen (etwa das „Baseler Übereinkommen“, das „Stockholmer Übereinkommen“ (PDF) und die „Minamata-Konvention“).
Implikationen auf die Praxis
Dabei verlangt das LkSG von den betroffenen Unternehmen nichts (rechtlich oder tatsächlich) Unerreichbares. Vielmehr muss „nur“ sichergestellt sein, dass die Analyse des Status Quo, die Kontrolle sowie etwaige erforderliche Präventiv- und Reaktionsmaßnahmen in Bezug auf die genannten Pflichten in der Unternehmensstruktur implementiert sind. Ein Erfolg ist nicht geschuldet, dementsprechend bedeutet ein Verstoß gegen Umweltrechte nicht zwangsläufig einen Verstoß gegen das LkSG. Demgemäß ist im LkSG kein Haftungstatbestand für die Verletzung von Pflichten aus demselben Gesetz vorgesehen. Daraus folgt, dass auf nationaler Ebene ausschließlich nach den Grundsätzen der deliktischen Haftung für die schuldhafte Verletzung von Verkehrssicherungspflichten gemäß § 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB gehaftet wird, wobei der Geschädigte der Nachweis des Sorgfaltspflichtenverstoßes zu erbringen hat.
Trotzdem sollten sich durch das LkSG betroffene Unternehmen schnellstmöglich aufstellen, um die Vorgaben des LkSG ab dem 01.01.2023 einzuhalten. Teils drohen neben zivilrechtlichen Haftungsrisiken auch empfindliche Zwangs- und Bußgelder sowie der Ausschluss von öffentlichen Vergabeverfahren. Im Übrigen dürfte sich eine allzu nonchalante Herangehensweise an diese medienwirksamen Aspekte negativ auf die Außenwirkung und somit auch auf das Tagesgeschäft auswirken. Auch kleinere Unternehmen sollten hellhörig werden: die direkt adressierten Unternehmen werden versuchen (müssen), ihre Lieferanten gemäß den eigenen Pflichten einzubringen. Somit erreichen die Sorgfaltspflichten auch aufgrund ihrer Größe nicht unmittelbar vom LkSG erfasste Unternehmen.
Zudem sollten die Entwicklungen auf der EU-Ebene genau verfolgt werden. Selbst wenn die ersten Entwürfe gescheitert sind, wird, unabhängig vom deutschen LkSG an einer europäischen Regelung gearbeitet.
2. Weiterführende Quellen
• Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG); abrufbar unter https://dserver.bundestag.de/btd/19/305/1930505.pdf
• Baseler Übereinkommen: https://treaties.un.org/doc/Treaties/1992/05/19920505%2012-51%20PM/Ch_XXVII_03p.pdf
• Stockholmer Übereinkommen: https://treaties.un.org/doc/Treaties/2001/05/20010522%2012-55%20PM/Ch_XXVII_15p.pdf
• Minimata-Konvention: https://www.bmu.de/themen/gesundheit-chemikalien/chemikalien/minamata-uebereinkommen

C. Update Zivilrecht: Die rechtlichen Folgen der Warenverkaufsrichtlinie

Mit der steigenden Relevanz elektronischer Handels- und Vertriebswege geht aus Sicht der Europäischen Kommission ein gesteigerter Regelungsbedarf für Warenkäufe einher; insbesondere dann, wenn Handelsgeschäfte digitale Bezüge aufweisen. Das Ziel eines umfassenden und effektiven Verbraucherschutzes in diesem Bereich wird fortan mithilfe der Richtlinie (EU) 2019/771 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs (WKRL) und der Richtlinie (EU) 2019/770 über gewisse vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen (DIDRL) weiterverfolgt. Die Umsetzung dieser Richtlinien gestaltet die bisherigen Regelungen zum Verbrauchsgüterkauf (§§ 474 ff. BGB) ab dem 01.01.2022 neu. Entsprechend hat der Gesetzgeber die Verbraucherrechte durch Verlängerung der gemäß § 479 BGB geltenden Beweislastumkehrregelung von sechs Monaten auf ein Jahr angehoben.
Da die bisher geltende Verbrauchsgüterrichtlinie 1999/44/EG durch die WKRL abgelöst wird, stehen zudem erhebliche Anpassungen des allgemeinen Schuldrechts und des Kaufrechts für Verträge an. Die zweifelsfrei relevanteste Änderung betrifft den Sachmangelbegriff (§ 434 BGB). Ob ein Sachmangel besteht, d.h. ob der Ist- vom Sollzustand negativ abweicht, bemisst sich derzeit vorrangig nach den Parteivereinbarungen, welche die maßgeblichen Eigenschaften der Kaufsache spezifizieren. Erst wenn diese Vereinbarungen unergiebig sind, werden objektive Bewertungskriterien herangezogen- Hierzu zählen etwa die gewöhnliche Verwendung und die übliche, erwartbare Beschaffenheit. Letzteren, objektiven Kriterien kommt nun eine wichtigere Rolle zu. Nach dem neuen Sachmangelbegriff sind Produkte erst dann mangelfrei, sowohl die subjektiven als auch die objektiven Voraussetzungen gleichermaßen vorliegen. Dies führt insbesondere dazu, dass ein Mangelanspruch nicht mehr allein deshalb abgelehnt werden kann, weil das betroffene Produkt den individuell vereinbarten Spezifikationen entspricht. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, kann der Rückgriff auf eine eingeschränkte gewöhnliche Verwendung Gewährleistungsansprüche begründen. Auch der neue Sachmangelbegriff gilt einheitlich und damit uneingeschränkt für den B2C- und den B2B-Warenverkehr.
Effekt auf die Praxis
Neben den verbraucherrechtlichen Aspekten im B2B-Bereich sollten Produkte zeitnah dahingehend analysiert werden, welche Besonderheiten auch unter objektiven Gesichtspunkten Anwendung finden. Diese Erkenntnisse sind durch die Hersteller bei der Entwicklung und Produktion zu berücksichtigen. Innerhalb der Lieferkette sollten vertragliche Regelungen ebenfalls vor diesem Hintergrund bewertet und erforderlichenfalls angepasst werden. Andernfalls droht die Gefahr, dass Regressansprüche abgeschnitten und somit das eigene Haftungsrisiko erhöht wird.

Weiterführende Links:
• Richtlinie (EU) 2019/771: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ALL/?uri=CELEX:32019L0771
• Richtlinie (EU) 2019/770 https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32019L0770

D. Update BREXIT
1. Titel: Vertrieb von Produkten nach UK: Auswirkungen des BREXIT
2. Newstext
Seit dem 01.01.2021 gilt aus Sicht der EU mit dem Ende der Übergangsfrist das Vereinigte Königreich nun produktsicherheitsrechtlich als Drittstaat. Daher ist es erforderlich, sich mit den Konsequenzen und Übergangsregelungen zu befassen.
Relevante Wirtschaftsakteure
Hersteller oder Händler war bisher derjenige, der Produkte aus der EU auf dem Markt des Vereinigten Königreichs in Verkehr gebracht und bereitgestellt hat. Bisher war die Rolle des Importeurs einzig für Produkte wichtig, die aus Drittländern auf den europäischen Markt gebracht wurden. Dies ändert sich mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs jedoch wesentlich.
Zukünftig ist derjenige als Importeur zu qualifizieren, der Produkte aus der EU auf dem Markt des Vereinigten Königreichs in Verkehr bringt. Relevant ist diese Änderung daher insbesondere für Personen oder Unternehmen, die bisher nur als Händler tätig waren.
Mit der Rolle des Einführers geht eine größere Verantwortung für die Konformität des Produktes einher. Da das Vereinigte Königreich die bis zum 31.12.2020 geltenden EU-Regelungen im Wesentlichen übernommen hat bedeutet dies konkret, dass auf dem Produkt der Einführer zu nennen ist und dieser gewährleisten muss, dass der Hersteller das Konformitätsbewertungsverfahren geleistet hat.
Wenn für den Vertrieb der Produkte innerhalb der EU bisher ein dort ansässiger Bevollmächtigter beauftragt wurde, kann dieser diese Funktion nicht mehr wie bisher auch im Vereinigten Königreich übernehmen. Entsprechend wäre für das Vereinigte Königreich ein eigener vor Ort ansässiger Bevollmächtigter zu beauftragen, wenn diese Funktion weiter in Anspruch genommen werden soll (oder in Ausnahmefällen muss).
Kennzeichnung mit CE und UKCA
Das UKCA-Kennzeichen ersetzt im Vereinigten Königreich künftig das bisher geltenden CE-Kennzeichen. Sofern nicht spezielle Übergangsregelungen bestehen, ist das UKCA-Kennzeichen grundsätzlich seit dem 01.01.2021 zu nutzen. Produkte, die vor dem 01.01.2021 in der EU oder UK mit dem CE-Kennzeichen in Verkehr gebracht wurden, dürfen unverändert und ohne weitere Anforderungen auf dem EU- und UK-Markt zirkulieren bzw. bereitgestellt werden, bis sie den Endkunden erreichen.
Der Anwendungsbereich des UKCA-Kennzeichens entspricht dem des CE-Kennzeichens, denn auch diesbezüglich wurden seitens des Vereinigten Königreichs die bisher geltenden EU-Regelungen übernommen. Folglich sind hier ebenfalls unterschiedliche Konformitätsbewertungsverfahren, eine Konformitätserklärung, ggf. die Einbindung in eigenen notifizierten Stellen in UK oder auch die freiwillige Nutzung von designierten UK Standards vor.
Für die Implementierung der UKCA-Kennzeichenpflicht wurden Übergangsregelungen geschaffen, die kürzlich bis zum 31.12.2022 verlängert wurden.
Demnach dürfen Produkte mit einem CE-Kennzeichnen bis zum 31.12.2022 auf dem UK-Markt vertrieben werden, wenn die folgenden Voraussetzungen vorliegen:
• Das Produkt wurde vor dem 01.01.2021 in der EU oder UK in Verkehr gebracht oder
• Das Produkt erfüllt die europäischen Anforderungen und unterliegt einem Konformitätsbewertungsverfahren ohne Einbindung einer notifizierten Stelle oder
• Das Produkt erfüllt die europäischen Anforderungen, unterliegt einem Konformitätsbewertungsverfahren mit Einbindung einer notifizierten Stelle und es wurde eine notifizierte Stelle in der EU genutzt
Die Übergangsregelungen können jedoch bereits früher enden, wenn es zu Unterschieden oder Abweichungen zwischen dem europäischen und dem britischen nationalen Recht kommen sollte.

Weiterführende Quellen
https://www.gov.uk/guidance/placing-manufactured-goods-on-the-market-in-great-britain
https://www.gov.uk/guidance/using-the-ukca-marking
https://www.gov.uk/guidance/using-the-ukni-marking
https://www.gov.uk/guidance/placing-manufactured-goods-on-the-market-in-great-britain