AMK Legal News powered by reuschlaw Q2/2023

A. Thema des Quartals: Aus alt mach neu – Die zukünftige Produktsicherheitsverordnung

Nach der Zustimmung des EU-Parlaments Ende März und des Rates im April dieses Jahres, wurde der finale Text der neuen Produktsicherheitsverordnung am 23.05.2023 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht, was den Zeitpunkt ihres Inkrafttretens markiert. Die neue Verordnung löst die Richtlinie 2001/95/EG ab und gilt unmittelbar in den Mitgliedstaaten, womit die neuen Produktsicherheitsstandards in der EU gleichermaßen harmonisiert gelten. Sanktionen und Bußgeldregelungen bei Verstößen bleiben jedoch weiterhin Angelegenheit der Mitgliedstaaten und werden in Deutschland voraussichtlich im Produktsicherheitsgesetz geregelt.

Neue Inhalte

Eingeführt wurde die Begrifflichkeit der „wesentlichen Veränderung“ wonach derjenige, der eine solche Veränderung am Produkt vornimmt, künftig als Hersteller angesehen wird und somit auch entsprechende Pflichten zu erfüllen hat. Eine wesentliche Veränderung liegt vor, wenn das Produkt dergestalt verändert wurde, dass die Veränderung und die daraus entstehenden Gefahren nicht in der ursprünglichen Risikobewertung berücksichtigt wurden oder sich das Risiko durch die Veränderung erhöht hat, so dass im Ergebnis eine neue Risikobewertung für das Produkt erforderlich wäre. Für wesentliche Veränderungen von Verbrauchern gilt diese Regelung nicht.

Ausgedehnte Pflichten der Wirtschaftsakteure

Aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung und Vernetzung von Produkten, müssen Hersteller bei der Entwicklung und Produktion ihrer Produkte künftig auch die Sicherheit erforderlicher Software – insbesondere mit Blick auf KI-Applikationen – als solcher sowie deren Resilienz gegen (böswillige) Eingriffe Dritter schützen. Somit wurde die Cybersicherheit auch im Rahmen des allgemeinen Produktrechts zum Maßstab erhoben. Die Reparaturverpflichtung trifft in der EU ansässige Hersteller. Sitzt der Hersteller nicht in der EU, trifft die Pflicht zur Reparatur andere in der EU ansässige Wirtschaftsakteure, wie z. B. den Bevollmächtigten oder den Importeur des Produkts. Die Reparaturaufträge können auch an Reparaturbetriebe weitergebeben werden, die der Verbraucher über eine eigens hierfür erstellte Online-Plattform des Mitgliedstaats eigenständig ermitteln kann. Hersteller müssen Verbraucher in geeigneter Weise über ihre Rechte aufklären, wobei er über die Art und Weise der Reparatur entscheiden kann. Der Preis und die vorformulierten Bedingungen für die Reparatur werden Verbrauchern zukünftig in standardisierter Form vor der Reparatur zur Verfügung gestellt.

Hersteller und Importeure tragen darüber hinaus neue Kennzeichnungspflichten. Neben der postalischen Adresse müssen Sie zukünftig auch eine elektronische (E-Mail) Adresse auf dem Produkt angeben und elektronische Beschwerden zu ermöglichen.

Neue Pflichten werden auch für den so genannten Produktverantwortlichen im Sinne des Art. 4 der Marktüberwachungsverordnung (EU) 2019/1020 implementiert, wonach dieser neben den marktüberwachungsrechtlichen Prüf- und Kooperationspflichten auch eigene Prüfpflichten in Bezug auf die Konformität von Produkten trägt.

Im Übrigen tragen die Wirtschaftsakteure zukünftig deutlich erweiterte Notifikations- und Kooperationspflichten gegenüber den Marktüberwachungsbehörden mit einer grundsätzlichen Verpflichtung, die Marktüberwachungsbehörden über das Product Safety Alert Business Gateway über unsichere Produkte zu informieren, und zwar völlig unabhängig von der Stufe eines festgestellten Risikos.

Mehr Verbraucherschutz im Online-Handel

Besonders im Online-Handel wird der Verbraucherschutz gestärkt. So besteht zukünftig die Pflicht, neben dem Bild des jeweiligen Produkts auch die vollständige Hersteller- und Produktkennzeichnung sowie jegliche Sicherheitshinweise anzugeben, bevor der Verbraucher seine Kaufentscheidung trifft. Darüber hinaus werden Online-Marktplätze zukünftig verstärkt in die Pflicht genommen: Neben den bisher geltenden Notifikations- und Kooperationspflichten mit den Behörden der Marktüberwachung müssen sie zu jeder Zeit die elektronische Kommunikation mit ihnen sowie mit den Behörden ermöglichen und Produkte, die sie einstellen, eigenständig auf ihre materielle Konformität überprüfen.

Einheitliche Produktrückrufe

Im Übrigen enthält die neue Produktsicherheitsverordnung einheitliche Vorgaben für die Durchführung von Rückrufen, wenn sich Produkte als gefährlich erweisen. Zukünftig müssen alle verfügbaren Kanäle inklusive sozialer Medien bemüht werden, um die Informationen über das gefährliche Produkte in dem Land und in der Landessprache, in dem das Produkt in Verkehr gebracht wurde, zu verbreiten. Dabei muss der notifizierende Akteur ein Online-Tool der Europäischen Kommission nutzen, um einen einheitlichen Informationsfluss zu gewährleisten. Verharmlosende Begriffe wie „freiwillig“ oder „überobligatorisch“ dürfen zukünftig nicht mehr genutzt werden, um Verbraucher auf die Dringlichkeit eines Rückrufs hinzuweisen und damit die Effektivität von Rückrufen zu erhöhen.

Besondere Aufmerksamkeit verdient die geplante Regelung, wonach dem Verbraucher im Rahmen eines Produktrückrufs mindestens zwei kostenfreie und zeitnahe Abhilfemöglichkeiten wie die Reparatur, der Ersatz des Produkts oder eine entsprechende Werterstattung angeboten werden muss, und zwar völlig unabhängig davon, ob etwaige vertragliche oder gesetzliche Gewährleistungsrechte (noch) bestehen.

Ausblick

Mit dem Vorschlag zur neuen EU-Produktsicherheitsverordnung vom Dezember 2022 verfestigt sich die Richtung, die das neue europäische Produktsicherheitsrecht einschlägt. Es wird nun Zeit, dass sich Unternehmen über die neuen, wohl kommenden Verpflichtungen bewusstwerden und sich entsprechend vorbereiten.

Am 12.06.2023 tritt die neue Produktsicherheitsverordnung in Kraft. Aufgrund der Übergangsfrist von 18 Monaten sind die neuen Vorgaben ab Ende 2024 verpflichtend umzusetzen.

Weiterführende Quellen:

 

B. Recht auf Reparatur

Zur Erreichung der Ziele des Europäischen „Green Deal“ steht die nachhaltige Produktgestaltung und Umsetzung der Kreislaufwirtschaft im Fokus. Ein Kernrechtsakt dessen ist der Vorschlag über eine neue Ökodesign Verordnung mit der Verpflichtung zur Erstellung des so genannten Digitalen Produktpass. Flankiert wird dieser Rechtsakt künftig durch weitere Regelwerke, die die gesetzten Nachhaltigkeitsziele vorantreiben sollen, darunter die  Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten (EU Deforestation Regulation / EUDR) sowie ein Vorschlag über eine Richtlinie über gemeinsame Vorschriften zur Förderung der Reparatur von Waren, die ein Recht der Verbraucher gegenüber dem Hersteller des jeweiligen Produkts auf Reparatur regulieren wird.

Ziele

Mit der Einführung des Rechts auf Reparatur soll der Verbraucherschutz gestärkt und eine längere Produktlebensdauer zugunsten des Umweltschutzes erreicht werden. Die geplanten Regelungen werden Produktreparaturen für Verbraucher zügiger, einfacher und günstiger machen, sodass die Reparatur von Produkten anstelle deren Vernichtung an Attraktivität gewinnt. Der Charakter des Rechtsakts als Richtlinie fordert die Umsetzung der Vorgaben in den einzelnen Mitgliedstaaten. Voraussichtlich wird aufgrund der nationalen Bemühungen hierzulande, die ihren Niederschlag auch im Koalitionsvertrag 2021 gefunden haben, eine zeitnahe Umsetzung der Richtlinie erfolgen.

Anwendungsbereich

Derzeit erfasst der Vorschlag Verbraucherprodukte, die nicht durch das gesetzliche Gewährleistungsrecht erfasst sind, beispielsweise, wenn der Mangel am Produkt erst nach Übergabe bzw. Lieferung des Produkts entstanden ist oder, wenn Gewährleistungsrechte bereits verjährt sind. Somit soll das Recht auf Reparatur, vonvon dem auch durch vertragliche Vereinbarungen zu Ungunsten des Verbrauchers nicht abgewichen werden darf, innerhalb und außerhalb von Gewährleistungsfristen bestehen bleiben. Die Reparaturverpflichtung erfasst derzeit 9 Produktgruppen, darunter bspw. Waschmaschinen, Geschirrspüler, Kühlgeräte und Mobiltelefone, die offenbar als besonders relevant eingestuft werden. Diese Produkte muss der Hersteller auf Verlangen des Verbrauchers unentgeltlich oder gegen einen bestimmten Preis oder eine andere Art von Gegenleistung reparieren. Ist eine Reparatur für den Hersteller, als auch für den Reparaturbetrieb unmöglich, entfällt die Pflicht zur Reparatur.

Adressaten

Die Reparaturverpflichtung trifft in der EU ansässige Hersteller. Sitzt der Hersteller nicht in der EU, trifft die Pflicht zur Reparatur andere in der EU ansässige Wirtschaftsakteure, wie z.B. den Bevollmächtigten oder den Importeur des Produkts. Die Reparaturaufträge können auch an Reparaturbetriebe weitergebeben werden, die der Verbraucher über eine eigens hierfür erstellte Online-Plattform des Mitgliedstaats eigenständig ermitteln kann. Hersteller müssen Verbraucher in geeigneter Weise über ihre Rechte aufklären, wobei er über die Art und Weise der Reparatur entscheiden kann. Der Preis und die vorformulierten Bedingungen für die Reparatur werden Verbrauchern zukünftig in standardisierter Form vor der Reparatur zur Verfügung gestellt.

Fazit

Bis zur Verabschiedung der Richtlinie wird noch einige Zeit vergehen, aber kommen wird sie auf jeden Fall. Auf lange Sicht ist eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs auf alle Verbrauchsgüter wahrscheinlich, sodass der Kreis zur Ökodesign-Verordnung hin zu einer einheitlichen Nachhaltigkeitsstrategie geschlossen wird. Für die Hersteller bedeuten die neuen Regelungen auf der einen Seite neue (Kosten-)Risiken, die sich nur schwer antizipieren und in die Kalkulation einstellen lassen. Auf der anderen Seite können sich hieraus Chancen auf Folgegeschäfte mit neuen Service- und Dienstleistungsmodellen ergeben.

Weiterführende Quellen:

 

C. Green Claims

Schutz vor „Greenwashing“ – ein Ausblick

Mit einem neuen Richtlinienvorschlag der Kommission im März 2023 über umweltfreundliche Angaben (Green Claims- Richtlinie) sollen Verbraucher stärker vor freiwilligen Umweltbehauptungen geschützt werden, die irreführende oder vage Aussagen hinsichtlich der Umweltfreundlichkeit eines Produkts treffen und somit Einfluss auf die Kaufentscheidung der Verbraucher nehmen. Darüber hinaus sollen vor allem im grenzüberschreitenden Handel einheitliche Standards zur Verwendung von Ökolabels geschaffen werden, die aufgrund ihrer Anzahl und inflationären Verwendung eine Bewertung durch den Konsumenten erschwert. Ziel ist die Gewährleistung eines vergleichbaren Qualitätsstandards, der es Verbrauchern ermöglicht, informierte Konsumentscheidungen zu treffen.

Rechtlicher Rahmen

Mit der vorgeschlagenen Richtlinie wird der Entwurf für eine Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken ergänzt. Die geplanten Regelungen sollen sicherstellen, dass zukünftig umweltbezogenen Produktaussagen nachvollziehbar auf wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie dem aktuellen Stand von Forschung und Technik beruhen, sowie verifizierbar, zuverlässig und vergleichbar sind. Daher wird mit der Richtlinie die Regulierung von Umweltangaben harmonisiert, um eine stärkere Marktfragmentierung durch nationale Regelungen zu verhindern.

Langfristig werden somit zusammen mit anderen Maßnahmen zur Umsetzung der Ziele des Green Deals nachhaltige Produkte und Geschäftsmodelle zur Norm gemacht, umweltschädliche Produkte in der EU vermieden und informierte nachhaltige Verbraucherentscheidungen ermöglicht, sodass aufgrund der Kreislaufgestaltung Abfall gar nicht erst entsteht.

Anwendungsbereich

Die Richtlinie gilt für ausdrücklich umweltbezogene Angaben, die von Händlern über Produkte oder Gewerbetreibende im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern gemacht werden. Vor Verwendung der Umweltaussagen müssen Händler eine Bewertung anhand bestimmter Kriterien durchführen, im Zuge dessen muss bspw. differenziert werden, ob sich die Angabe auf das gesamte Produkt oder nur einen Teil des Produkts bezieht. Darüber hinaus sind weitere detaillierte Angaben vorzuweisen, die eine Vergleichbarkeit der Umweltauswirkungen gewährleisten sowie bspw. auch Angaben, inwiefern sich die Umweltaussagen von den gesetzlich geforderten Angaben unterscheiden. Green Claims müssen darüber hinaus alle fünf Jahre auf deren Richtigkeit überprüft werden. Außerdem werden Unternehmen verpflichtet, ihre Claims zu überprüfen, wenn sich die jeweils angewandte Berechnungsmethoden ändert.

Im Bereich der Marktüberwachung sollen die zuständigen nationalen Behörden erleichterten Zugang zu allen relevanten Dokumenten des Bewertungsverfahrens haben, vergebene Kennzeichnungen und verwendete Green Claims regelmäßig überprüfen und bei Zuwiderhandlungen Sanktionen verhängen können.

Fazit

Der Entwurf ist als weiterer notwendiger Meilenstein zur Umsetzung der Vorgaben des Green Deal begrüßenswert, da es vor allem Verbrauchern erleichtert wird, sich umweltverträglich zu verhalten. Unternehmen, die sich oder ihren Produkten ökobilanziell günstige Eigenschaften zuschreiben, tragen zukünftig ein deutlich höheres Risiko, von Wettbewerbern, aber auch den Marktüberwachungsbehörden belangt zu werden, wenn diese Aussagen (rechnerisch) nicht verifizierbar sind. Der administrative Aufwand in den Unternehmen wird voraussichtlich steigen, im Gegenzug ist davon auszugehen, dass sie sich durch die zutreffende Verwendung von Green Claims auf gesetzlicher Basis einen deutlichen Wettbewerbsvorteil verschaffen können.

Weiterführende Quellen: