AMK Legal News powered by reuschlaw Q4/2023

A. Aktuelle Entwicklungen der Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten „EUDR“

Seitdem die Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten am 29. Juni dieses Jahres in Kraft getreten ist, steht fest, dass sich Wirtschaftsakteure auf die neuen Regeln vorbereiten müssen, die in Teilen bereits ab Ende des Jahres 2024 anzuwenden sind. Erfasst werden zahlreiche Konsumgüter, darunter beispielsweise Holz und Holzerzeugnisse wie Möbel, Kaffee, Kakao, Palmöl und Soja, sodass auch weitere Industrien, die sich bisher mit den Regelungen der noch gültigen EU Timber Regulation (EU) 995/2010 nicht auseinandersetzen mussten, adressiert sind. Kleine und mittlere Unternehmen müssen die Regelungen der EUDR erst ab Mitte 2025 anwenden.

Pflichtenkreise der verschiedenen Marktteilnehmergruppen

Im Rahmen der EUDR werden gewerblich tätige Marktteilnehmer adressiert, die relevante Rohstoffe und Erzeugnisse erstmals in der EU in Verkehr bringen oder aus dem Zollgebiert der Union ausführen. Die zu erfüllenden Pflichten der Wirtschaftsakteure bestimmen sich abhängig davon, welche Rolle sie in der Lieferkette einnehmen und, ob es sich um kleine und mittlere (KMU) oder große Unternehmen handelt. Erfasste Rohstoffe/Erzeugnisse, dürfen nur in der EU in Verkehr gebracht oder exportiert werden, wenn der Wirtschaftsakteur nachweist, dass diese nach den Vorschriften des Erzeugerlandes gezeugt wurden, entwaldungsfrei sind und für sie eine entsprechende Sorgfaltspflichterklärung vorliegt, die bestätigt, dass ein vernachlässigbares Risiko von Entwaldung und Illegalität besteht. Alle EU-Staaten sowie Drittländer werden in einem neu eingeführten Länder Benchmarking System abhängig von ihrem Entwaldungsrisiko in drei Risikostufen von gering bis hoch eingestuft. Besteht ein geringes Entwaldungsrisiko im Erzeugerland sind lediglich Produktinformationen und Nachweise zur Lieferkette zu sammeln, eine weitere Risikobewertung entfällt.

Pflichtenkreise der Marktteilnehmer

Für die Einhaltung der Sorgfaltspflichten müssen Marktteilnehmer auf einer ersten Stufe Produktinformationen zu sammeln, die u. a. dem Nachweis der Legalität und Entwaldungsfreiheit dienen. Neu ist das Erfordernis, Informationen über die geographische Lage der Grundstücke, auf dem der Rohstoff erzeugt oder gehalten wurde, zu sammeln (so genannte Geolokalisation). Auf der zweiten Stufe werden die gesammelten Informationen systemisch und in ihrer Gesamtheit ausgewertet und – sofern kein vernachlässigbares Risiko besteht – auf der dritten Stufe geeignete Risikominderungsmaßnahmen umgesetzt. KMU-Marktteilnehmer in der nachgelagerten Lieferkette können an eine bereits vorliegende Sorgfaltspflichtenregelung der vorgelagerten Marktteilnehmer anschließen.

Pflichtenkreise der Händler

Große gewerbliche Händler haben großen Einfluss auf die Warenströme und werden im Anwendungsbereich der EUDR nun mit Marktteilnehmern gleichgestellt. Wie Markteilnehmer müssen sie daher auch eine Sorgfaltspflichtenregelung implementieren. Diese Pflicht gilt wie bei Marktteilnehmern auch nur nicht bei Rohstoffen und Erzeugnissen, die aus einem Niedrig-Risiko-Land stammen (vereinfachte Sorgfaltspflichtenregelung). In dieser Konstellation treffen sie wie KMU-Händler lediglich Dokumentations- und Archivierungspflichten.

Herausforderungen in der Praxis

Die EUDR setzt mit dem Erfordernis der Entwaldungsfreiheit einen deutlich strengeren Maßstab als die noch gültige Holzhandelsverordnung. Mit den neuen Sorgfaltskatalogen soll die Transparenz in der Lieferkette weiter ausgedehnt und gemeinsam mit anderen EU- Rechtsakten, wie der Ökodesign Verordnung der Strukturwandel hin zur Green Economy gestärkt werden.

Mit Geltungsbeginn der EUDR ist ein Anstieg internationaler Rückrufe wahrscheinlich, da dieser bereits notwendig ist, wenn nur Teile eines Produkts nicht der EUDR entsprechen. Zudem ist eine Verstärkung der Marktüberwachungstätigkeiten wahrscheinlich, wobei deutlich höhere Bußgelder vorgesehen sind als bisher.

Auf die Wirtschaftsbeteiligten kommen zahlreiche neue Herausforderungen zu: Zum einen sind entsprechende interne Ressourcen für die Rückverfolgbarkeit der Lieferkette erforderlich, zum anderen müssen ausreichend auswertbare, plausible Daten für die Rückverfolgbarkeit bereitgestellt und in entsprechende Systeme implementiert werden. Dabei bleibt abzuwarten, inwiefern Daten in Drittländern bspw. bei Kleinbauern erlangt werden können. Jedoch ergeben sich auch neue Geschäftsfelder bspw. hinsichtlich der Bereitstellung von Systemen zum Abruf relevanter Lieferketteninformationen. Gleichzeitig müssen Lieferanten überprüft und die Sorgfaltspflichten in der Lieferkette entsprechend vertraglich implementiert werden. Der erhöhte administrative Aufwand geht mit entsprechenden Kostensteigerungen einher, allerdings können automatisierte Prozesse langfristig zu Effizienzsteigerungen führen.

Ausblick

Im ersten Halbjahr 2024 wird die EU-Kommission Bewertungen für das Länder-Benchmarking-System veröffentlichen, so dass bereits zu diesem Zeitpunkt eine kritische Überprüfung der eigenen Lieferkette hinsichtlich des Entwaldungsrisikos notwendig wird und eine Anpassung des eigenen Due-Diligence-System entsprechend der Einstufung empfehlenswert ist. Darüber hinaus wird derzeit von der Europäischen Kommission das EU-Observatory entwickelt, eine Datenbank, die Wälder weltweit erfasst und es somit Wirtschaftsakteuren erleichtern soll, das Vorhandensein und Ausmaß von Entwaldung und Waldschädigung zu bewerten. Der Anwendungsbereich der Verordnung wird stetig überprüft und perspektivisch erweitert, daher sollten Entwicklungen aufmerksam mitverfolgt werden.

Weiterführende Quellen:

 

B. PFAs-Beschränkung

Umfassende PFAs Beschränkung in der EU geplant

PFAs sollen in der EU weitgehend eingeschränkt werden. Behörden aus Deutschland, den Niederlanden, Dänemark, Schweden und Norwegen haben bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) einen entsprechenden Vorschlag eingereicht. PFAs sind per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen, die mehr als 10.000 verschiedene Industriechemikalien umfassen. PFAs wirken wasser- und ölabweisend und sind strahlungs- und temperaturbeständig. Problematisch ist die Verwendung von PFAs, da sie biologisch nicht abbaubar sind und sich aufgrund ihrer Persistenz in der Umwelt anreichern. Außerdem stehen sie im Verdacht, gesundheitsschädlich zu sein. In Möbeln werden PFAs häufig als Fleckenschutz- oder Imprägnierungsmittel eingesetzt.

Zur Debatte steht ein vollständiges PFAs-Verbot mit Ausnahme von Bereichen, in denen in absehbarer Zeit keine gleichwertigen Alternativen zur Verfügung stehen werden, bzw. nachteilige Auswirkungen für Mensch und Umwelt überwiegen.

EU-Regulierung von PFAs

Im September 2023 endete die sechsmonatige öffentliche Konsultation zum Vorschlag, bei der 5600 Kommentare aus 53 Ländern eingingen. Kritisiert wurde vor allem das Fehlen gleichwertiger Alternativen und negative Auswirkungen auf die Innovationsförderung. Derzeit werten die Ausschüsse der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) die eingegangenen Informationen aus, wobei 2024 mit Ergebnissen zu rechnen ist.

Im Anschluss werden diese im so genannten REACH-Regulierungsausschuss, dem Vertreter der EU-Kommission und der Mitgliedstaaten angehören, diskutiert und abgestimmt. Anschließend wird die ECHA einen Vorschlag zur Änderung der REACH-Verordnung erarbeiten, der dann von Vertretern der EU-Kommission und der Mitgliedstaaten geprüft und verabschiedet werden muss.

Nach Ablauf einer Übergangsfrist können bestimmte PFAS voraussichtlich noch für eine gewisse Zeit weiterverwendet werden, unbefristete Ausnahmen wird es nur für bestimmte Produkte wie bspw. Biozid-Produkte, Pflanzenschutzmittel und Arzneimittel geben. Nach Ablauf der Übergangsfrist ist die Herstellung, Einfuhr und Verwendung von PFAS sowie das Inverkehrbringen/die Verwendung von PFAS in einem anderen Stoff verboten.

Ausblick

Absehbar wird es in der EU zu einer deutlichen Einschränkung der Verwendung von PFAs in Produkten kommen. In welchem Umfang diese Einschränkung erlassen wird, ist jedoch offen. Bis 2025 soll die endgültige Fassung der Änderung der REACH-Verordnung von der EU-Kommission beschlossen werden. Fest steht, dass eine Beschränkung, sobald sie beschlossen wurde, für die Industrien und damit auch für Möbelhersteller verbindlich gelten.  Derzeit bleibt den Wirtschaftsakteure noch der Rückzug auf zum Teil mehrjährige Übergangsfristen möglich, für einige Bereiche sind sogar unbefristete Ausnahmen vorgesehen. Fest steht jedoch, dass die Suche nach alternativen chemischen Stoffgruppen nun auf Hochtouren vorangetrieben werden muss, um Mensch und Umwelt zu schützen sowie die Nachhaltigkeitsziele der EU voranzutreiben.

Weiterführende Quellen:

 

C. BGH Urteil zum Ersatz von Ein- und Ausbaukosten

Nach einer Gesetzesänderung im Jahr 2018 sind Aus- und Einbaukosten als Teil der Nachbesserungskosten verschuldensunabhängig vom Verkäufer zu tragen.  Streitig ist insoweit lediglich die Höhe und die Erforderlichkeit der entstandenen Kosten, wenn und soweit ein Aus- und Wiedereinbau stattgefunden hat. Mit der Frage, ob ein solcher „Einbau“ im Rechtssinne vorliegt, wenn faktisch noch nichts eingebaut wurde, hat sich der Bundesgerichtshof in einer aktuellen Entscheidung befasst.

Sachverhalt

Im zur Entscheidung vorliegenden Fall bestellt die Klägerin vom Beklagten Edelstahlrohre im Wert von 785.038,64 Euro für den Einbau in Rohrleitungssysteme von Kreuzfahrtschiffen. Nach der Lieferung der Edelstahlrohre wurden die Rohrleitungssysteme für die Installation in den Kreuzfahrtschiffen von der Klägerin vorgefertigt, indem die bestellten Rohre mithilfe von Verbindungselementen zu sog. „Rohrleistungspools“ zusammengeschweißt wurden. Später stellten sich – unstreitig – Materialmängel an den Edelstahlrohren heraus, so dass die Klägerin die Vorfertigung einstellte und die Rohrleitungen wieder abbaute. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Ersatz der Kosten in Höhe von 1.372.516,82 Euro (nebst Zinsen), die bis zu diesem Zeitpunkt durch das Auseinanderbauen der Rohre entstanden waren und die durch die erneute Vorfertigung mit mangelfreien Rohren in der Zukunft entstehen würden.  Die Beklagte stellte sich auf die Position, dass noch kein Einbau stattgefunden haben, der auf ihre Kosten erfolgen durfte, weil die Rohrleitungen faktisch noch nicht in den Kreuzfahrtschiffen montiert worden waren und es sich lediglich um Vorarbeiten handele.

Urteil

Der BGH sprach der Klägerin einen verschuldensunabhängigen Aufwendungsersatzanspruch aus § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB a.F. zu, da ein Einbau der Edelstahlrohre in eine andere Sache vorliege. Dabei komme es nicht darauf an, ob der beabsichtigte Einbau bereits vollständig abgeschlossen ist oder eine neue Sache entsteht. Vielmehr kann sich der Einbauvorgang in mehreren Stufen vollziehen und ist daher nicht auf die Vollendung der letzten Stufe zu reduzieren. Entscheidend ist, ob die jeweilige Vorfertigung der Art und dem Zweck entspricht, für die die Sache bestimmungsgemäß verwendet werden soll. Andernfalls würde das Entstehen eines Aufwendungsersatzanspruchs nicht selten vom Zufall abhängen, nämlich davon, wann ein Mangel im Herstellungsprozess erkennbar wird. Solange der Einbau der Sache reversibel ist, führen einzelne Veränderungen der Sache im Rahmen eines Be- oder Verarbeitungsprozesses nicht zum Ausschluss eines Aufwendungsersatzanspruchs für den Ein- und Ausbau. So verhielt es sich auch im Fall der Klägerin, obwohl der endgültige Einbau der Rohrleitungssysteme in die Kreuzfahrtschiffe noch nicht erfolgt war.

Praxisrelevanz

Die Regelung des § 439 Abs. 3 BGB wurde vom nationalen Gesetzgeber geschaffen, um die Schieflage von Handwerksunternehmen zu begradigen, die nicht pauschal für Folgekosten von Produktmängeln haften sollten, die ihr Lieferant oder der Hersteller eines Zulieferteils zu verantworten hat. Diese sollen den Verkäufer für dadurch entstandene Kosten verschuldensunabhängig in Anspruch nehmen können. Die Entscheidung des BGH hat auch für Möbelhersteller eine praktische Relevanz: Auf Grundlage der oben dargestellten Argumentation des BGH stellt bereits die Montage einer Küche durch Fügen, Kleben, Stecken oder Schrauben eine Montage im Sinne des § 439 Abs. 3 BGB dar, auch wenn die Küche noch nicht endgültig beim Endkunden eingebaut wurde. Gleiches gilt an der Schnittstelle zur Zuliefererindustrie. Dementsprechend könnten auch Lieferanten, die vorgelagerte Fertigungsschritte durchführen bei mangelhafter Ware von ihren Zulieferern Ersatz der Ein- und Ausbaukosten verlangen.

Weiterführende Quellen: